Iran Kameltrekking – Reisebericht einer Familie
Wir, eine Schweizer Familie mit einer 13-jährigen Tochter und einem 15-jährigen Sohn waren auf der Suche nach einer Ferienreise, die die recht verschiedenen Interessen der einzelnen möglichst miteinander verbinden sollte. Wir sind dabei der Auffassung, dass wir in unserer Familie jetzt noch einige wenige Jahre zur Verfügung haben, in denen nun auch aufwändigere Reisen mit den Kindern gut möglich sind, andererseits die Kinder auch noch gerne mit uns verreisen. Bisher haben wir immer alle Reisen selber organisiert. Pauschalferien all inklusive oder so etwas ähnliches haben wir noch nie gemacht. Ich wünschte mir möglichst ein Outdoorerlebnis mit viel Bewegung, am besten in der Einsamkeit, meine Frau liebt grössere Städte, Basare, Märkte, Geschäfte, Lebendigkeit. Unser Sohn fragt nach Abenteuern, fremden Kulturen und fremden Sprachen, und unsere Tochter liebt Reiten und wollte schon immer einmal in die Wüste, am liebsten dort auch einmal auf Kamelen reiten.
Von der Idee …
Auf einer vorangegangenen Reise nach Nepal und Tibet erzählte ein Mitreisender, wie schön der Iran sei. Das hatte sich in unseren Köpfen festgehakt, und wir waren auf der Suche nach einer Möglichkeit, dorthin zu reisen, ohne dass wir in einem Pulk von 40 Leuten mit einem doch eher älterem Durchschnittsalter einem Reiseführer mit erhobenem Regenschirm hinterherwackeln müssten. Das Reisebüro „Nomad Reisen“ haben wir dann im Internet über Google gefunden, und wir fanden die Präsentation, vor allem aber die Gestaltung der Reisevorschläge kreativ, individuell, spannend, ausgefallen und vielleicht sogar ein bisschen verrückt, sodass wir der Meinung waren, wir sind dort genau richtig.
… zur Umsetzung
Wir kontaktierten Frau Baums, die Leiterin dieses Büros. Im Gespräch wurde schnell klar, dass die ursprünglich angedachte Reise mit Trekking im Zagros-Gebirge im Zeitraum Anfang Oktober vom Wetter her zu unsicher war, so dass sie nicht infrage kam. Was folgte, war die gemeinsame Entwicklung einer Individualreise in mehreren Schritten, wofür Frau Baums eine grössere Zahl von Stunden für uns investiert hatte. Frau Baums hörte sehr genau zu. Sie sollte die verschiedenen Interessen der Familienmitglieder (s.o.) berücksichtigen und auch noch dafür sorgen, dass wir möglichst nicht zu viel im Auto sitzen, was wir nicht mögen. Wir wünschten uns Unterkünfte, die lieber einfach, dafür traditionell und möglichst im Ortszentrum sind.
Die detaillierten Kenntnisse von Frau Baums über den Iran haben uns verblüfft. Sie konnte uns so vor einer Reihe von Ideen bewahren, die nicht sinnvoll, nicht machbar oder unnötig gewesen wären, und sie hatte Ideen, die sich im praktischen Vollzug als wirklich genial herausgestellt haben. Sie reist selbst jährlich einige Male in den Iran.
Heraus kam eine Reise zunächst nach Isfahan, dann in die Grosse Zentralwüste, dann nach Yazd und über mehrere Zwischenstationen, unter anderem auch über Persepolis schliesslich nach Shiraz, von wo aus wir zurückflogen.
Tipps zum Reisen im Land
Wenn wir Freunden oder Bekannten erzählten, dass wir in den Iran reisen wollen, ernteten wir entweder begeisterte Blicke, weil sie von anderen gehört hatten, wie schön es dort sei, oder aber wir wurden für verrückt erklärt, weil es ja dort nicht sicher sei. Für sehr viele Deutsche und auch Schweizer liegt der Iran sehr weit weg und irgendwo zwischen Pakistan, Turkmenistan, Irak, Kurdengebieten, IS-Gebieten und überhaupt zwischen Terrorismus angesiedelt. Die Wahrheit ist, dass es mindestens in den Gebieten, in denen wir gereist sind, (Zentraliran) wirklich sehr sicher ist. Man sieht praktisch kaum Polizei, überhaupt kein Militär. Wir haben keine Kontrolle gespürt und uns sicher gefühlt.
Vor einer Reise in den Iran muss man sich prüfen, ob man willens und in der Lage ist, die dort vorgeschriebene Kleiderordnung einzuhalten. Frauen müssen ständig und zu jeder Zeit im öffentlichen Bereich ein Kopftuch tragen. Man kann sich bei den Iranerinnen abschauen, wie man das am besten macht. Die Oberkante des Kopftuches darf inzwischen bis zur Mitte des Kopfes nach hinten rutschen. Manche Iranerinnen haben hinten oben ihre Haare mit einer Haarklemme fest gesteckt und klemmen das Tuch über die Klemme, so dass der obere Kopf gar nicht mehr bedeckt ist. Sowohl Frauen als auch Männer müssen lange Hosen tragen. Sandalen oder Flipflops ohne Socken sind für Frauen und für Männer erlaubt. Männer dürfen auch kurzärmelige Hemden oder T-Shirts tragen, wenn sie so geschnitten sind, dass sie nicht hauteng anliegend sind und Muskel T-Shirts entsprechen. Die Ärmel sollten bei Männern bis zur Mitte der Oberarme reichen, bei Frauen etwa bis zur Mitte der Unterarme.
Vielleicht kann man verstehen, wenn einzelne Touristinnen sich so an diesen Regeln nerven, dass sie in Versuchung geraten, sie zu brechen. Wir sahen einzelne ältere Touristinnen, die versucht haben, mit einem Schal eine Art Turban zu wickeln. Wieder andere hatten versucht, einen topfähnlichen Hut so weit nach unten zu ziehen, dass die Haare darunter versteckt waren, um so das Kopftuch zu vermeiden. Einzelne sehr wenige haben das Kopftuch auch an touristischen Orten sogar ganz abgelegt. Von manchen Iranerinnen und Iranern hörten wir dann, dass Sie diese Art des Umgangs mit ihrer Kultur doch als eher respektlos empfinden, auch wenn sie das Tragen eines Kopftuches selbst nicht unbedingt favorisierten. Alle diese Varianten sahen entweder deplatziert oder sogar peinlich aus. Hingegen ist die Variante, wie die Iranerinnen ihre Kopftücher tragen, durchaus elegant, und, wenn man es denn schon muss, nachahmenswert. Es macht wohl keinen Sinn, ein fremdes Land zu bereisen, um dann dort deren Regeln gezielt zu brechen.
Isfahan
Nun aber zurück zur Reise. Isfahan ist wunderschön. Die Kuppeln und Moscheen sind wirklich beeindruckend und erhaben. Der Basar ist grandios, und es macht viel Freude, in dieser Stadt zu verweilen. Wir hatten einen Stadtführer für diese ersten zwei Tage, der sehr sachkundig war und uns fußläufig viele schöne Orte zeigte. Stolz präsentierte er uns auch ein Foto, welches ihn mit dem griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras auf einer Tour durch Isfahan zeigte. Abends blieb Zeit, Teile der Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Und hier erlebten wir das erste Mal, wie Iranerinnen und Iraner auf uns zukamen, uns nach unseren Eindrücken fragten, von sich erzählten, ein bisschen Englisch üben wollten. Von anderen Reisen kenne ich es, dass Menschen, die einen ansprechen, gerne etwas verkaufen wollen oder aber einen zu irgendeinem Geschäft begleiten wollen, wo sie dann eine Provision kassieren. Das haben wir im Iran fast nie erlebt. Ganz im Gegenteil, es bestand offenbar ein persönliches Interesse an uns Europäern. So haben wir viel erzählt und auch erzählt bekommen. Wir lernten, dass viele junge Menschen im Iran versuchen, sich ihm Bildungsausmaß möglichst gegenseitig zu übertreffen, um einen akzeptablen Job erreichen zu können. Uns wurde erzählt, dass über 50 % einen Hochschulabschluss haben, leider aber natürlich so viele Hochschulabsolventen gar nicht gebraucht würden. Es sei nicht einfach, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele Familien könnten sich nur finanzieren, wenn beide möglichst voll arbeiten, was gar mit Kindern nicht einfach umzusetzen ist.
Speziell in den Abendstunden war es wunderbar, unter der Khaju-Brücke zu sitzen und singenden Männern zuzuhören, die dort iranisches Liedgut zum Besten gaben. Das hätten wir wirklich so nicht erwartet – Menschen singen sich mit schönen Stimmen in der Öffentlichkeit Lieder vor, ohne sich zu genieren. In einem Taxi haben wir sogar erlebt, dass uns der Fahrer unaufgefordert Gedichte von Hafez, einem sehr berühmten Dichter Persiens des 14. Jahrhunderts rezitierte. Im Klang der Stimme hörte man Stolz auf die eigene Geschichte und das eigene Land, das diesen wirklich grandiosen Dichter hervorgebracht hat.
Mit Aidin und Shima ab in die Wüste
Nach diesen ersten Tagen Isfahan trafen wir unsere Driverguides Shima und Aidin, die uns von nun an über den grössten Teil unserer Reise hinweg begleiteten. Es ging mit zwei Offroad-Fahrzeugen zunächst Richtung Norden über Mesr in die grosse Zentralwüste, zunächst in die „Geistersande“. Um mit solchen Autos auf Wüstensand fahren zu können, wird ein grösserer Teil des Luftdrucks aus den Reifen abgelassen. Das Fahren selber (bzw. natürlich das „gefahren werden“) ist aufregend. Es geht immer wieder relativ steil hinauf und hinunter. Manchmal fressen sich die Räder fest. Dann muss man langsam rückwärts wieder den Berg hinunter und einen anderen Weg suchen. Shima und Aidin waren Meister darin. Andererseits fuhren sie in jedem Augenblick sehr verantwortungsvoll und suchten keine Risiken. An verschiedenen Orten haben wir Pause gemacht. Wir haben das erste Mal versucht, eine grössere Sanddüne zu erklimmen, was gar nicht so einfach ist. Von ganz oben dann an der steilen Seite wieder nach unten rennen – das war eine Freude. Überall stiebt der Sand an einem vorbei, und man gleitet nach unten ein bisschen wie in einem Teig oder in zähem Honig. Einmal kam Wind auf, als wir ganz oben auf einem Dünenkamm standen, und man konnte sehen, wie im Wind feinster Sand über die in der Oberfläche gewellten Dünen dahinschwebte.
Es folgte unsere erste Übernachtung im Zelt, mitten in der Wüste. Shima und Aidin suchten einen geeigneten Platz, halfen uns beim ersten Zeltaufbau und zauberten dann ein Abendessen mitten in der Wüste zusammen, das uns verblüfft hat. Es gab nicht nur einen echten Holzkohlegrill, sondern wir sassen an einem bequemen Tisch, auf bequemen Stühlen, und am Tisch war sogar eine kleine Fahnenstange mit einer Schweizer und einer iranischen Flagge angebracht. Es war wirklich wie im Film.
Ich habe früher immer gehört, die Wüste sei so schön wegen des Sternenhimmels und der Ruhe. Einen beeindruckenden Sternenhimmel haben wir nicht gesehen, dafür einen Mond, der in der Nacht selbst zum Wandern noch genug Licht verbreitet hätte. Zwischen den Dünen sind die Geräusche reduziert wie in einer tief verschneiten Winterlandschaft. Alles miteinander gibt eine verzauberte Atmosphäre.
Wüstenschiffe: Unser Kameltrekking
Es folgten zwei Tage, bei denen wir jeweils etwa 5 Stunden pro Tag auf Kamelen durch die Wüste ritten. Ein Kameltreiber begleitete uns und führte die aneinandergebundenen Kamele an einem Strick im Schritttempo durch die Landschaft. Wir hatten gehört, man könne auf Kamelen seekrank werden und waren daher auf so einiges gefasst. Wir empfanden den Schritt der Tiere aber als angenehm, und wir haben uns wohl gefühlt. Wenn die Tiere bergab laufen müssen, wird es etwas holpriger, aber auch das ist kein Problem und gut machbar. Etwas mühsam sind verschiedene Holzstangen, die im Sattel aus funktionellen Gründen vorhanden sind, und die je nach der eigenen Körperanatomie hie und da auch einmal gegen das Gesäß oder gegen eine Stelle am Bein drücken können. Hier helfen eigene Pullis oder kleine Sitzpölsterchen zum Unterschieben. So sassen wir da oben und träumten schweigend durch die Landschaft mit ihren vielen feinen Schattierungen in Ockerfarbtönen, entlang einer Bergkette.
Am ersten Tag gelang es Shima und Aidin, mit ihren Fahrzeugen an einen verabredeten Punkt zu gelangen, indem sie für uns ein Schattenzelt und ein köstliches Mittagessen vorbereitet hatten.
Bilderbuch-Oase: Esfahak
Im weiteren Teil der Reise gelangten wir nach Esfahak, einem kleinen Ort, der vor einer Reihe von Jahren praktisch vollständig von einem Erdbeben zerstört wurde. Einer der ehemaligen Einwohner, ein Mann in den dreissiger Jahren, hatte sich in den Kopf gesetzt, diesen Ort wieder zum Leben erwecken zu wollen. Am Anfang hatten wohl viele dagegen geredet. Inzwischen gibt es ein wunderschönes traditionelles Gästehaus mit Innenhof, und weitere Häuser im Ort sind auch renoviert. Sogar einen Hamam gibt es jetzt dort, ein Dusch- und Badehaus. Natürlich sieht das nicht so aus, wie im Hotel Hilton New York, aber Esfahak ist ein kleiner Ort, in dem Wasser ein so kostbares Gut ist, und die Einrichtung ist wirklich gut in Schuss und sehr liebevoll gemacht. Inzwischen kommen dort immer wieder auch vor allem abends Frauengrüppchen aus dem Nachbarort, um dort Zeit zu verbringen. Offenbar gibt es ein iranisches Sprichwort, welches die Situation beschreibt, wenn Frauen miteinander sehr viel zum Schwatzen haben: Es ist hier wie in einer „Ladies Shower“.
Als wir beim Abendessen sassen, kam noch die Mutter des Besitzers mit einigen anderen Frauen zu Besuch vorbei und erzählte von sich, von ihren Kindern, welch wichtige Rolle sie in ihrer Familie spiele, wie sie erreichen konnte, dass alle ihre Kinder eine tolle Ausbildung bekommen haben, und zwar natürlich auch die Töchter, und was aus ihnen geworden ist. Solche Situationen waren auf unserer Reise häufig – Begegnungen und ehrliche kurze Episoden aus dem realen Leben von Iranerinnen und Iranern, die uns spontan erzählt wurden. Die Kommunikation im Iran läuft behutsamer, weniger direkt, weniger konfrontativ und insgesamt wahrscheinlich etwas netter als in Deutschland.
In dieser Unterkunft haben wir zwei Nächte verbracht, um uns ein bisschen von dem Kameltrek auszuruhen., Da wir wider Erwarten aber gar nicht besonders müde waren, waren Shima und Aidin spontan bereit, unser Reiseprogramm auszuweiten und noch einige nicht geplante Erlebnisse einzufügen. Wir machten in den nahe liegenden Bergen eine Flusswanderung, teilweise im flachen Wasser flussaufwärts. Kleine Fische, die dort lebten, fingen an, an unseren Zehen, Füssen und Unterschenkeln ein bisschen zu knabbern, wenn wir stehen blieben. Am Ende des Canyons erreichten wir einen mehrere 100 Jahre alten kleinen Staudamm. Auf dem Rückweg fanden wir sogar noch eine kleine Vertiefung im Bach, die uns ein kurzes Bad erlaubte, nach iranischer Art mit Kleidern. Es war so heiß, dass sie hinterher schnell wieder trockneten.
In einem kleinen Dorf auf dem Rückweg kamen wir an einer Schule vorbei, und unsere beiden Guides ermöglichten uns einen kleinen spontanen Schulbesuch in einer Primarschulklasse. Der Unterricht wurde für uns einen Moment unterbrochen, und wir sahen viele leuchtende Kindergesichter, die ganz neugierig waren. Weil der Ort soo klein war, waren Mädchen und Jungs gemeinsam in einer Klasse. Es wird dort ganz normal Mathematik, Geschichte, iranische Sprache und natürlich auch Korankunde unterrichtet. Ich konnte es nicht lassen, auch einmal ein Lehrbuch aufzuschlagen. Natürlich ist dort alles anders. Alle Bilder von Frauen im Schulbuch zeigen natürlich Frauen im Hijab. Es ist dort so tief verankert, dass eine Frau nun einmal ein Kopftuch trägt. Man kann sich das gar nicht recht vorstellen. Schließlich durften wir noch Fotos machen von uns, zusammen mit der Klasse in den Schulbänken sitzend. Alle diese Kindergesichter blitzten, und sie träumen von einer guten Zukunft.
Yazd
Es folgte eine lange Fahrt durch die Wüste nach Yazd. Der Iran hat eine andere „Grundfarbe“ im Vergleich zu Mitteleuropa. Nirgendwo ist Wasser. Alles ist ockerfarben, steinig, weitläufig, lebensfeindlich. Ist irgendwo Wasser, gibt es eine grüne Insel, Häuser und Menschen, und es werden verschiedene Gemüse und andere Nahrungsmittel angebaut.
Das Beeindruckendste für mich in Yazd waren die Schweigetürme. Hier haben die zu Zoroastrier, also Angehörige einer sehr alten, hauptsächlich in Yazd noch lebendigen Religion, ihre Toten auf einem hohen Turm, durch Mauern sichtgeschützt, abgelegt und so der Luftbestattung anheimgegeben. Ein Mann trug jeden Toten die vielen vielen Stufen nach oben auf den Turm und legte sie dort aus. Niemand sonst hat Zugang. Dieser Beruf war ein einsamer Job. Die anderen bewunderten solche Menschen, die das taten, aber sie grenzten sie auch aus und hatten Angst vor ihnen. Immerhin wurden sie zumindest gut bezahlt. Wenn die Verwesung weit fortgeschritten war und die Vögel ein Übriges geleistet hatten, wurden die Knochen im Zentrum dieser Türme in ein grosses Loch gegeben und dort mit einer Säure aufgelöst. Das alles ist seit Jahrzehnten verboten, aber die Geschichte ist dort noch sehr plastisch spürbar.
In der Schweiz freuen wir uns über die Sonne. In Yazd sucht man hingegen einen Platz, um sich vor ihr zu verbergen. Fenster sind ganz klein gehalten. Man versucht Häuser überwiegend unter die Erde zu bauen um die Hitze fernzuhalten. Im allertiefsten Stockwerk findet sich häufig ein kleines Wasserreservoir. Von dort aus geht häufig ein Luftschacht sehr weit nach oben, der über das Haus als „Windturm“ fungiert. Verschiedene Öffnungen in diesen Türmen fangen den Wind, und es kommt zu einer Zirkulation, die die Luft in Bewegung hält und über die Verdunstungskälte des Wassers das Klima in der Tiefe des Hauses erfrischt.
In Yazd heißt Wasser Leben. Die Verteilung des Wassers unter den verschiedenen Familien wurde durch die angesehensten, unbestechlichsten und ehrlichsten Menschen bewerkstelligt und überwacht. Seit Hunderten von Jahren bestehen Wasserkanäle, die das kostbare Gut aus den Bergen unter der Erde in die Stadt leiten. Viele dieser Kanäle sind heute noch erhalten. Der Unterhalt wurde durch für diesen Beruf speziell ausgebildete, überwiegend aber kleine Menschen, die in die Kanäle hinein passten, bewerkstelligt. Dies war eine gefährliche und sehr wichtige Arbeit.
Weiter ging die Reise Richtung Shiraz, unserem letzten Reiseziel. Zunächst stand jedoch noch Persepolis auf dem Programm. Was dort an alter Geschichte erhalten ist, ist wirklich unglaublich. Ein Besuch des Irans lohnt sich allein nur deswegen. Ich bin kein Kunsthistoriker, und man kann hierzu ganz viel in Reiseführern nachlesen. Aber die Bilder sind in uns lebendig. Auf einem bestens erhaltenen Relief sind viele verschiedene Menschen verschiedener Völker zu sehen, die alle dem damaligen König Geschenke darbringen. An der unterschiedlichen Kleidung und der unterschiedlichen Frisur wird deutlich, dass sie verschiedenen Ethnien angehören. Trotzdem halten sich viele an der Hand, was zeigt, wie dort zu dieser Zeit schon verstanden wurde, dass das gelungene Zusammenleben verschiedener Volksgruppen miteinander einen Segen bedeutet.
Abschied von Shima und Aidin
Unsere Reise führte dann schließlich nach Shiraz. Obwohl wir noch zwei Tage Zeit dort hatten, gab es dort einen rechten Bruch unserer Reise. Wir mussten uns von Shima und Aidin verabschieden. Beide haben sich weit mehr um uns gekümmert, als wir das erwartet hätten. Sie haben für uns gekocht, mit uns in der Wüste am Lagerfeuer gesessen, aus ihrem Leben erzählt, uns zugehört, unsere Kinder gemocht und integriert. Sie haben uns Zugang verschafft zu Orten, die üblicherweise Touristen nicht einmal zugänglich sind. Sie haben perfekt organisiert, Picknicks auf die Heckklappe des Autos gezaubert, Melonenstückchen für uns geschnitten, mit uns gelacht, uns gezeigt, wie man Kürbiskerne mit den Schneidezähnen sachgerecht aufknackt, uns erklärt, wie man im Iran mit all seinen Regeln rein praktisch leben kann. Sie waren sicher 16 Stunden pro Tag für uns da, wenn wir das gewollt hätten, und wenn wir sie 24 Stunden pro Tag gebraucht hätten, wäre wohl selbst das noch möglich gewesen. Beide sind ein Ehepaar, und sie gingen total angenehm miteinander um. Es gibt generell nicht viele Menschen, die wir so gemocht haben wie diese beiden. Für uns sind sie Freunde geworden. Hauptsächlich (aber nicht nur) wegen ihnen planen wir nun unsere zweite Iranreise in eineinhalb Jahren mit einem großen Schwerpunkt in der Kavir e Lut, also der großen südlichen Wüste.
Shiraz
Die nun zuständige Stadtführerin in Shiraz hatte es nach Shima und Aidin natürlich sehr schwer. Es gibt einfach einen Unterschied zwischen einem ordentlichen Guide und außerordentlichen Guides. Aber natürlich ist die Stadt wunderschön, und wir sahen ein im Innenraum komplett verspiegeltes Mausoleum, welches wir von innen sehen durften sowie ein anderes Mausoleum, dessen Kuppel in der frühen Nacht, zu der wir diesen Ort besucht haben, wunderschön angeleuchtet war. Ausländer dürfen diesen Ort nur in Begleitung eines muslimischen Guides besuchen, und die Innenräume dürfen nicht gesehen werden. Offenbar machen 3500 freiwillige Einheimische unentgeltlich schichtweise diesen Job. An beiden Orten mussten meine Frau und meine Tochter einen Tschador tragen, der dort verliehen wurde. Im Gegensatz zu den Einheimischen war dieser aber nicht schwarz sondern weiß mit Blumenornamenten. Möglicherweise erfüllt das auch den Zweck, dass man von außen sehen kann, bei wem es sich um Touristinnen handelt.
Ein Mullah bat uns bei der Besichtigung eines solchen Mausoleums zum Tee. Wir waren schon in Sorge, ob wir jetzt vielleicht Koranunterricht bekämen oder zum Islam bekehrt werden sollten. Das war nicht so. Aber er erklärte uns, von welchem islamischen Unterzweig (in den arabischen Ländern) sich einzelne Moslems abgespalten hätten, dort den Koran falsch auslegten und damit Terror begründeten. Er erklärte uns, wie schlimm das sei, dass solche fehlgeleiteten Menschen mit schrecklichen Taten den Islam in Misskredit bringen.
Allerdings lernten wir auch (nicht von diesem Mullah), dass es im Iran nicht möglich ist, die Religionszugehörigkeit zum Islam zu verlassen oder zu verhindern, dass die eigenen Kinder automatisch auch Muslime werden. Natürlich ist das mit europäischen Vorstellungen nicht vereinbar, aber wir sind nicht dorthin gereist, um unsere Vorstellungen dort umsetzen zu wollen. Was wir aber praktisch erlebt haben, sind neugierige, hochgebildete, liebenswerte, zugewandte und tolerante Menschen, die hohe Werte und hohe Fähigkeiten bezüglich des friedlichen Miteinanderlebens haben.
Rückblickend war dies eine für uns sehr eindrückliche und schöne Reise, die wir nicht vergessen werden. Die Begegnungen sind uns noch deutlicher in Erinnerung als die Sehenswürdigkeiten. Wir konnten unsere Sichtweise auf den Iran und den Islam differenzieren und erweitern. Die Religion ist das eine. Das andere aber sind die liebenswerten Menschen, die dort leben, an die wir uns gerne immer wieder erinnern werden.
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