Abenteuerreise in die nubische Vergangenheit – Ein Erfahrungsbericht

Im Februar letzten Jahres unternahm Christian von Jordan eine 16-tägige Wüstenexpedition zu den archäologischen Highlights Nordsudans. Anfängliche Zweifel und Sicherheitsbedenken waren nach Beginn der Reise schnell verflogen und er lernte inmitten eines internationalen Teams  das Land, dessen kulturellen Highlights und seine Bewohner hautnah kennen. In seinem Reisebericht lässt er uns an seinen Erlebnissen teilhaben und weckt vielleicht in dem ein oder anderen die Lust, selbst einmal den Sudan oder das Abenteuer Wüstenexpedition zu erlebenden.

Abenteuerreise in die nubische Vergangenheit

„Zum Sudan fallen einem auf Anhieb nur wenig schmeichelhafte Stichworte ein: Sklaven, scheußliche Überfälle arabischer Milizen in Darfur oder der Sezessionskrieg mit dem Süden des Landes. Wer die Sicherheitshinweise im Bradt-Guide liest, wird auch nicht gerade beruhigt. Was tue ich im Falle von Bombenexplosionen (flach hinschmeißen), Schusswechseln (in Hauseingängen Deckung suchen) oder bei Kidnapping (persönliche Beziehung zum Leader der Aktion aufbauen)? Ehrlich gesagt war ich gespannt, was mich erwarten würde.

Western Desert

Die Räder mahlen sich durch den tiefen Sand. Unser Toyota-Jeep verliert schnell Geschwindigkeit. Noch ein paar Meter, der ganze Wagen schüttelt sich, und schon stecken wir bis zu den Bodenbrettern im Sand. Muhammed Ali, unser einheimischer Fahrer, murmelt etwas auf Arabisch, was heißen könnte „macht nichts“. In der Tat: Mit der Hilfe seiner Kollegen, ein paar Sandbrettern  und vereinten Schubkräften ist unser Jeep schnell wieder flott. Was wir in diesem Moment noch nicht wissen, ist, dass sich diese unfreiwilligen Stopps an diesem Tag noch 19 Mal wiederholen sollten. Manchmal stecken alle vier Toyotas gleichzeitig im Sand fest.  Von einem Meter zum anderen wechselt harter und weicher Sand. Selbst unsere wüstenerfahrenen Fahrer können die weichen Stellen nicht immer rechtzeitig erkennen.

Wir durchfahren eine ebenso schöne wie heimtückische Dünenregion in der Western Desert. Da man rechts und links vom Nil, von einem schmalen fruchtbaren Streifen abgesehen, überall Wüste vorfindet, hat man das Land sinnigerweise in die Western und die Eastern Desert eingeteilt.

Seit drei Tagen brettern wir durch immer wieder unterschiedliche Wüstenlandschaften der Western Desert, dem westlich des Nils gelegenen Landesteil. Wir, das sind sieben Italiener, eine Engländerin, eine Nordirin und ich (Deutscher). Dazu unser Guide, Khalid, vier Fahrer mit Toyota HiLux Jeeps (mit offener Ladefläche hinten) und El Bakr, unser Koch.

Längst haben wir die Hauptstadt Khartum verlassen. Hochinteressant war unser Besuch des Nationalmuseums mit Objekten aus zehntausend Jahren Sudans vielfältiger Geschichte. Im Garten des Museums stehen drei ägyptische Tempel, die aus dem Bereich Nubiens stammen, den der Nassersee verschlungen hat. Wie in Abu Simbel hatte man die Tempel abgebaut und in Khartum aufgestellt. Erstaunlich für mich, dass fast die Hälfte der Ausstellungsfläche Fresken aus der christlichen Periode (500 bis 1300) gewidmet ist. Sie lassen byzantinische und äthiopische Einflüsse erkennen. Der Sudan wurde immerhin zu den Hochzeiten des Reiches von Axum für einige Zeit von den Äthiopiern beherrscht.

Nach einer kurzen Stippvisite des „Palastes“ in Omdurman (die Nachfolger des Mahdi hielten in diesem Lehmhaus Hof) und einem Blick auf die für Ausländer nicht zugängliche Grabstätte des Mahdi, und schon verließen wir die Stadt. Dank des chaotischen Verkehrs hatten wir reichlich Zeit, das bunte Gewerbeleben auf den Straßen zu beobachten. Egal ob Schmied, Reifenhändler, Schuster oder Bäcker, alles findet irgendwie auf der Straße statt. Und dazwischen Männer in ihren weißen langen Gewändern und Turbanen oder weißen Käppis, Frauen in bunte Tücher gehüllt, Kinder in westlicher Kleidung meist. Das Straßenbild wird von weißen Toyota-Pickups, Kleinbussen, dreirädrigen Scootertaxis und vor allem Eselskarren geprägt.

Schließlich hatten wir es geschafft. Ein schwarzes Band durchzieht die Wüste. Teilweise Chinesen, teilweise Ägypter haben die Straße westlich des Nils gebaut. Doch schon bald verlassen wir sie, und suchen unseren Weg durch die Wüste.

Erstaunlich – in einer Gegend, in der man wirklich keine menschlichen Spuren erwartet, überrascht uns ein Fort aus dem 5. Jh. v. Chr.  Es sind nur noch die Mauern in Trockenbauweise (ohne Mörtel) mit Turmvorsprüngen zu erkennen. Ein schmaler Eingang führt in das Rechteck. Was mag dies gewesen sein? Eine Handelsstation? Eine Sammelstelle für Sklaven, die von hier ihren schweren Weg in die Unfreiheit antreten mussten? Man weiß es nicht. Nicht weit davon finden wir Zeugnisse viel weiter zurückliegender Zeiten. Petroglyphen im Granit. Ovale Felder mit Unterteilungen. Viele. Was wollten uns die Menschen aus dem 7. Jahrtausend v. Chr. damit sagen? Auch hier muss die Wissenschaft passen.

In der Weite einer endlosen Ebene ragt der Jebel Peak in den Himmel. Etwa 40 m hoch und mit steilen Felswänden. An der Rückseite klettern wir hoch, um den weiten Blick zu genießen. Petroglyphen auch an diesem Ort zeigen uns an, dass schon vor Jahrtausenden Menschen hier lebten. Aber wie? Wovon?

Khalid, unser gut informierter Führer klärt uns auf. Bis vor etwa zehntausend Jahren war diese heute trostlose Wüste eine an Wildtieren reiche Savanne. Eine Verschiebung der Erdachse ließ die Flüsse versiegen, und es breitete sich die Wüste aus. Vor achttausend Jahren sahen sich die Menschen (und Tiere) gezwungen zum Urstrom des Nils zu wandern. Die ersten Siedlungen entstanden. Unweit des Jebel Peak finden wir Zeugen einer noch viel weiter zurückliegenden Vergangenheit:  versteinerte Bäume. Sie beweisen, dass vor Millionen Jahren hier sogar Wälder standen.

Unser Reiseteam besteht aus lauter Individualreisenden. Die jüngste ist Nordirin (42), der älteste ist aus Milano (73). Alles weitgereiste Leute mit Schwerpunkt Afrika. Da ich nur in acht afrikanischen Ländern war, kann ich nicht mithalten. Der Umgang ist lateinisch locker. Es wird viel gelacht. Mit Spanisch habe ich wenig Verständigungsschwierigkeiten, die beiden Engländerinnen tun sich da deutlich schwerer. Englisch scheint nicht die größte Stärke unserer italienischen Freunde zu sein.

Eine halbe Stunde bevor die Sonne untergeht, wird eine geeignete Übernachtungsstelle gesucht. Meist stellen wir unsere Zelte im Windschatten großer Dünen auf. Während wir uns zu zweit oder alleine mit dem Aufbau der Igluzelte beschäftigen, errichtet das Team die Küche. Gegessen wird an einem langen Tisch mit zehn Campingstühlen. Die hartships des Campens werden sportlich genommen. Nachts ist es empfindlich kalt. Auch als wir wegen eines Sandsturms in einem lausigen Hotel in (Neu-)Dongola unterkommen müssen, wrd das von den Teilnehmern mit Humor genommen. Wie gesagt, es handelt sich um passionierte  Afrikareisende!

El Bakr, der Koch, zaubert mittags und abends ein köstliches Essen. Wir hauen rein, als ob es sich um eine Armenküche handeln würde. Am langen Tisch sitzen wir abends unter einem phantastischen Sternenhimmel und lassen uns verwöhnen. Da ist keiner, der sich dem Zauber dieser Tropennächte entziehen könnte. Auch ohne Bier.

Immer wieder begegnen wir großen Karamelkarawanen. Begleitet von drei bis vier Reitern werden 100 bis 150 Kamele auf dem „Weg der 40 Tage“ von Darfur an die ägyptische Grenze getrieben. Dort werden sie verkauft. Ich fühle mich in eine andere Zeit versetzt, während ich den majestätisch dahinschreitenden Tieren nachsehe.

Der Weg führt zwischendrin ein Stück über die ausgebaute Straße nach Norden. Wir halten an einem unscheinbaren Felsen. Beim Bau ist man dort auf eine Begräbniskammer aus ägyptischer Zeit gestoßen. Mit Khalid zwänge ich mich durch ein kleines Loch in die Tiefe. Eine rechteckige Kammer von etwa 6 m Länge mit jeweils  drei  Säulen an den Seiten und einer t-förmigen Verlängerung an der Schmalseite. Aufgeschreckte Fledermäuse umschwirren uns. Es stinkt nach dem Kot der Tiere. Mühsam winden wir aus dem engen Loch in 1,5 m Höhe wieder an die Oberfläche. Draußen erwartet uns die Polizei. Wie aus dem Nichts steht sie plötzlich da. Khalid muss sich vorwerfen lassen, dass er ohne Erlaubnis eine archäologische Sehenswürdigkeit aufgesucht hat. Auch das ist der Sudan. In dem typischen Verhalten autokratischer Systeme werden wir auf Schritt und Tritt beobachtet. Schizophren.

Tagesziel ist Soleb, eine mächtige Tempelanlage. Thutmosis III., der Napoleon der Ägypter, hat im 15. Jh. v. Chr. diesen Tempel zu Ehren Amuns errichten lassen. Er liegt – zufällig (?) – genau 500 km südlich der großen Amunanlage von Luxor und 500 km nördlich des Amuntempels am Jebel Barkal. Einen Steinwurf von den beeindruckenden Ruinen entfernt richten wir uns für die Nacht in einem typischen nubischen Haus mit Umfassungsmauer, verschiedenen Gebäuden und Innenhöfen ein. Von den Säulen des Eingangs starren uns Krokodilköpfe an. Sie sollen den Bewohnern ungute Geister vom Hals halten. Der nahe Nil lässt grüßen! Während die Anderen sich einer Siesta hingeben, zieht es mich zum Tempel. Obwohl nur noch wenige Säulen stehen, ist der Plan der Anlage deutlich erkennbar. Unverkennbar stand die große Tempelanlage in Luxor hier Pate. Claire gesellt sich zu mir. Im Schatten einer mächtigen Säule lassen wir die Ruinen zu Bob Marley-Musik auf ihrem iPad auf uns einwirken. Im Hintergrund säumen Dattelpalmen den Nil.

Schön ist, dass jeder Tag nach dem Frühstück mit einer etwa halbstündigen Wanderung beginnt. Während wir uns ein wenig körperlich ertüchtigen, hat das Team Zeit, das Lager abzubauen. Heute kommen wir zum Hochufer des Nils, wo Thutmosis III. sich mittels eines (Hyroglyphen-)Schriftstücks auf dem gewachsenen Fels verewigt hat. Es beschleicht mich ein eigenartiges Gefühl zu denken, dass der große Pharao genau an der gleichen Stelle vor 3500 Jahren gestanden haben mag. Klar, beim großen Tempel in Soleb leuchtet einem die Präsenz des Erbauers noch ein; aber hier, an diesem gottverlassenen Fleckchen Steilwand des Nils, an dem gerade zwei Kinder auf einem Esel vorbeireiten, fühle ich mich dem mächtigen Herrscher plötzlich ganz nahe. Zehn Meter unter mir sonnt sich eine dicke Echse.

Mittagsrast im Dorf Dal. Im Schatten eines Baumes wird eine Matte ausgelegt, auf der wir unser Mittagessen einnehmen. Das ganze Dorf nimmt lebhaften Anteil. Schnell ist die anfängliche Kamerascheu überwunden, und die Bewohner finden Gefallen darin sich porträtieren zu lassen.

Der Wendepunkt unserer Reise nach Norden liegt etwa 100 km vor Wadi Halfa. Dort liegt die Ausgrabungsstätte von Amara. Die Stadt war nach der Besetzung Nubiens durch Thutmosis III. eine wichtige Garnisonsstadt zur Kontrolle des Reiches Kusch, wie die Ägypter damals Nubien nannten. Grundrisse von Häusern, gepflasterte Wege und ein paar kümmerliche Reste eines Tempels sind alles, was das Britische Museum von der im 13. Jh. v. Chr. errichteten Stadt zutage gefördert hat. Immerhin ein halbes Jahrtausend beherrschte Ägypten das an Ressourcen reiche (Gold!) Land. Heute ist übrigens unter den Sudanesen wieder das Goldfieber ausgebrochen. Immer wieder sehen wir Männer mit Metalldetektoren nach Gold suchen.

Eastern Desert

Nach einer letzten Nacht westlich des Nils setzen wir auf einer alten, sehr gemächlichen Fähre auf die östliche Seite des Flusses über. Schwärme lästiger kleiner Fliegen suchen uns heim. Khalid, unser fürsorglicher Führer, hat uns  deshalb Moskitonetze besorgt, die man wie ein Imker über den Kopf stülpen kann. Wo Dattelpalmen sind, dort gäbe es auch Fliegen, werden wir belehrt.

Wieder mal über Stock und Stein geht es diesmal in der Eastern Desert Richtung Süden. Wir erreichen den 3. Katarakt. Auf einem Felshügel sieht man die Reste einer Festung. Sie stammt aus der Zeit der Ottomanen. Der schöne Blick von der Höhe auf den 3. Katarakt dürfte den Bewohnern der Festung ziemlich gleichgültig gewesen sein. Als Sklaven hatte man sie hierher zur weiteren „Vermarktung“ gebracht.

Wir schlängeln uns durch eine wild romantische Felsenlandschaft vor dem Hintergrund der Dattelpalmen, die die Nähe des Nils andeuten. Teilweise ist noch die alte Staubstraße zu erkennen, auf der man reiste, bevor die Teerstraße nach Wadi Halfa weiter östlich verlegt wurde. Bis hierher reichte zunächst im 16. Jh. v. Chr. das Reich der Pharaonen. Vorbeireisende jener Zeit konnten die in den Fels gemeißelten wiederholten Aufforderungen zu Zollabgaben unmöglich übersehen.

Auf eine der beeindruckendsten archäologischen Anlagen stoßen wir weiter südlich. Kerma, Hauptstadt des ältesten Reiches in Nubien. Seine Anfänge gehen in das 4. Jahrtausend zurück. Die Blütezeit begann in der Mitte des 3. Jt. v. Chr. und endete im 15. Jh. v. Chr. durch die Eroberung durch Thutmosis III.

Das Erstaunlichste ist der Defufa. Ein riesiger, massiver rechteckiger Klotz (20 x 40 m und 18 m hoch) aus ungebrannten Ziegeln ragt aus der Ebene hervor. Es dürfte das größte Bauwerk Afrikas südlich von Ägypten sein. Drum herum liegt die alte Stadt, die man sich anhand der ausgegrabenen Grundmauern mit Palästen, Häusern, Lagern und Marktplätzen  recht gut vorstellen kann.

Auch auf der Ostseite des Nils sind wir fast ausschließlich im Offroad-Modus unterwegs. Ich habe längst die Orientierung verloren, aber Amir, unser Cheffahrer findet sich an den erstaunlichsten Stellen zurecht. Dafür geht es allerdings oft genug durch unwegsames Gelände. An die Übernachtungen im Freien haben wir uns längst gewöhnt. Zwischendurch besuchen wir auch lokale Märkte, wie z.B. den in Old Dongola (nicht zu verwechseln mit Neu Dongola!). Nicht Fotografieren auf dem Markt, werden wir vom Guide angewiesen. Prompt spricht mich jemand in Zivil im Marktgedränge an. Ob ich allein sei? Wo ist unser Führer? Die allgegenwärtige Polizei!

Inzwischen ist es tagsüber etwas heißer geworden (um 35 °), nachts dafür deutlich milder.

Old Dongola, westlich des Nils, spielte eine große Rolle als Hauptstadt des christlichen (!) Reiches Markuria und stellte ein wichtiges Handelszentrum dar, das vom 6. – 14. Jh. Nubien beherrschte. Gewaltige Stadtmauerreste, Säulen von christlichen Kirchen und sonstige Mauern liegen verlassen auf einem Hügel über dem Nil. Aber man muss nicht weit gehen, um auf Gräber von Sufipredigern aus dem 18. Jh. zu stoßen.

Die nächste Station der frühnubischen Geschichte manifestiert sich in den Grabanlagen von El Kurru. Um das Jahr 1000 v. Chr. waren die Ägypter so mit sich selbst beschäftigt, dass die Herrschaft der Pharaonen abgeschüttelt werden konnte, und sich in Nubien ein neues, eigenes Reich mit der Hauptstadt Napata bildete. Eine ganze Kette von Pyramiden zeugt von den ersten Herrschern dieses Reiches. Sie hatten nach eineinhalbtausend Jahren die Tradition des Pyramidenbaus wieder aufgenommen. Nicht von ungefähr. Stellten doch die Könige von Napata die Pharaonen Ägyptens (25. Dynastie) bis sie von den Assyrern bis südlich des 1. Kataraktes zurückgedrängt wurden. Die Pyramide stellt allerdings auch eine Weiterentwicklung der örtlichen Begräbnisformen dar. Waren dies anfangs nur zwei einfache unterirdische Kammern über die sich ein Tumulus (Hügel) spannte, so wurden die unterirdischen Kammern und der darüber liegende Hügel im Laufe der Zeit immer umfangreicher. In El Kurru wurden nur die Toten begraben. Die Hauptstadt Napata lag ein Stück weiter östlich am Jebel Barkal, einem auffälligen Felsklotz von fast hundert Metern Höhe. Hier hatte schon am Fuße des „Heiligen Berges“ Thutmosis III. einen Amuntempel angelegt, den spätere Herrscher Napatas noch erweiterten. Wir klettern auf den Berg und genießen den Blick von oben auf die Tempelanlage und einige kleinere Pyramiden.

Am Fuß des Berges liegt eine sehr gepflegte Hotelanlage im afrikanischen Stil. Jedes der riesigen Zimmer wird von einer Kuppel aus sorgsam gesetzten Sichtziegeln überspannt. Herrlich im Mondlicht auf der Terrasse auch mal wieder ein Bierchen zu genießen – selbst wenn es alkoholfrei ist!

Nach einer zweistündigen Schifffahrt auf dem Nil statten wir den Pyramiden von Nuri auf der anderen Seite des Nils einen Besuch ab. Nach El Kurru ließen sich die Herrscher Napatas hier als Pharaonen begraben. 19 Pyramiden sind es; einige kaum mehr als solche erkennbar. Wir wundern uns: Im Sudan gibt es  mehr Pyramiden als in Ägypten!

Wir fahren noch ein Stück in die Bayudawüste hinaus. Zwischen romantischen Felsen errichten wir unser Camp.

Auf der Fahrt nach Südosten liegen einige Berge. In diesen liegt versteckt ein Vulkankrater. An seinem Grunde befindet sich eine große Pfütze, an der Salz gewonnen wird.

Tief in der Bayudawüste bietet sich uns ein unglaubliches Bild. Hunderte von Tieren, Kamele, Ziegen, Schafe und Esel lagern um einen Brunnen. Über dem Brunnen sind einige krumme Äste verschränkt. In vier Richtungen können dort Räder eingehängt werden, über die an langen Seilen große Säcke zum Wasserschöpfen in die Tiefe (ca. 25 m) gelassen werden. Hat der Sack Wasser gefasst, wird er von zwei Eseln hochgezogen. Oben befördert ein kräftiger Hirte die 20 Liter Wasser in ein gemauertes Becken, von wo es durch einen Schlauch in ein größeres Becken fließt, um das Tiere zum Trinken stehen. Ich habe eine ähnliche, noch größere Anlage in Tayma, Saudi Arabien, gesehen. Da handelte es sich allerdings um ein Museumsstück.

Tiere kommen, und getränkte Tiere gehen. Zwanzig Familien betreiben diesen Brunnen. Auf einer Seite liegen ein Dutzend gefüllte Ziegenschläuche fertig zum Mitnehmen. Das alles im warmen Abendlicht. Diese Szene wird mir als das eindringlichste Bild meiner Reise immer in Erinnerung bleiben. Meine Kamera streikte leider an diesem Tag. Der viele Sand bekam ihr nicht. Mitreisende werden mich mit Fotos versorgen.

Im letzten Abendlicht checken wir in der Zeltlodge von Meroe in Sichtweite der Pyramiden ein. Ein weiterer Höhepunkt der Reise.

Meroe ist ein weiterer wichtiger Abschnitt der sudanesischen Geschichte. Um 350 v. Chr. wurde die Hauptstadt von Napata nach Meroe verlegt. Wie man erst seit kurzem weiß, gab es hier große Eisenvorkommen, und man spricht heute von Meroe als dem Birmingham Nubiens. Die Herrscher des Reiches von Meroe ließen sich ebenfalls bis 300 n. Chr. in Pyramiden begraben. Sie liegen auf einem Felshügel, sind maximal 30 m hoch und weisen einen Neigungswinkel von 70° auf. Jeder Pyramide ist eine kleine Kapelle vorgesetzt. Dadurch, dass der Felshügel von feinem Sand überdeckt ist, wirken sie leicht wie Hütchen auf dem hellen Untergrund. Der Italiener Guiseppe Ferlini köpfte 1834 die Pyramiden, weil er dort Schätze vermutete. Nur ein paar restaurierte kleinere Pyramiden sind mit Spitzen versehen.

Am gleichen Tag suchen wir noch die archäologischen Stätten Mussawwarat und Naga auf. Sie stammen aus meroitischer Zeit. An beiden Orten stehen typisch ägyptische Tempel, die dem nubischen Gott Apedemak (Gott mit dem Löwenkopf) geweiht sind, im Mittelpunkt. Erstaunlich ist in Mussawwarat ein riesiger Tempelkomplex, dessen Bedeutung trotz intensiver Forschung seitens der Humboldt Universität seit mehreren Jahrzehnten nicht eindeutig geklärt ist. Es fehlt jede Form schriftlicher oder bildlicher Hinweise. Nur Graffitis. Daraus schließt man auf eine Pilgerstätte, erklären mir die jungen Archäologen aus Berlin. In Naga liegt 200 m vom Apedemaktempel entfernt ein Amuntempel. Dr. Schlüter, der stellvertretende Direktor des Ägyptischen Museums in München, klärt mich über seine Arbeiten an diesem Tempel auf. Er und ein Konservator stabilisieren die Mauern so, dass noch erkennbar bleibt, was die ursprüngliche Bausubstanz ist, und was zur Erhaltung der Anlage dazu gekommen ist.

Die drei genannten Orte (Meroë, Mussawwarat und Naga) lassen jedes Archäologenherz höher schlagen. Auf alle Fälle zählen sie zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern Afrikas. Und das Schönste daran ist, dass man sie ganz für sich allein genießen kann. Stell dir vor: Kapitol, Forum Romanum und Palatin in Rom ohne Touristen! Im Sudan sind einem solche Eindrücke noch vergönnt!

Eine leichte Wehmut überkam uns am letzten Abend im Wüstencamp. Trotz Staub und Sand am Körper und in allen Kleidern und Taschen hatten wir uns an unser Nomadendasein gewöhnt. Die heterogene Gruppe war gut miteinander ausgekommen. Das Team aus Führer, Fahrern und Koch haben das Ihre dazu beigetragen. Meine anfänglichen Sicherheitsbedenken hatten sich verflüchtigt. Für Darfur im Westen und die nubischen Berge im Süden mögen sie zutreffen. Nördlich von Khartum scheint man sich gefahrlos bewegen zu können. Das Erlebnis, der Wüste hautnah zu sein, war für mich überwältigend. Begegnungen mit Kamelkarawanen und Nomaden am Brunnen mit ihren Tieren sind Eindrücke aus einer vergangenen Welt. Ich bin dankbar dafür, dass ich dies erleben durfte.

Vor unserer Abfahrt nach Europa am Freitagabend suchen wir noch die Derwischtänze in Omdurman auf. Ich hatte eine Attraktion für Touristen erwartet. Was ich vorfand waren Kreistänze, in die sich jeder (islamische) Bürger eingliedern konnte. Phantasievolle Gewänder, die lockere Stimmung der Tanzenden, die mit Weihrauch geschwängerte Luft – dies alles war schon sehr eindrucksvoll! Die paar Touristen fielen da nicht ins Gewicht.

Den Sudan kann ich interessierten Reisenden nur empfehlen. Wer individuelle Reisen abseits der großen Touristenströme schätzt, und auf großen Komfort verzichten kann, der ist hier bestens aufgehoben.“

Möchten auch Sie einmal eine Wüstenexpedition erleben oder den Sudan erkunden? Auf unserer Homepage finden Sie das passende Angebot!

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Christian von Jordan (Text und Fotos).

Written by Eva Kuhl